Im ersten Teil hast du erfahren, was sich hinter RED-S verbirgt und welche Folgen ein chronischer Energiemangel für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit haben kann. Ein Energiemangel kann durch die Einschränkung der Nahrungsaufnahme, einem erhöhten Trainingsumfang oder einer Kombination aus beidem entstehen.
Doch warum bleibt RED-S häufig lange unerkannt?
1. Unwissenheit von Fachpersonal
Um RED-S zu diagnostizieren, bedarf es an Kenntnissen über das Syndrom und klinischen Parametern, die bei der Identifikation Aufschluss geben können. Leider wissen viel Trainer, Therapeuten und Ärzte aber über dieses Problem nicht Bescheid und stufen auffällige Blutwerte als „noch normal“ ein.
2. Energieverfügbarkeit sollte nicht mit Energiebilanz verwechselt werden
Die Energiebilanz bezieht alle Komponenten des Energieverbrauchs mit ein und wird typischerweise im Kontext der Körperzusammensetzung und Gewichtsmanagement verwendet. Die Energieverfügbarkeit hingegen fokussiert sich auf den Trainingsenergieumsatz und benennt folglich die Energiemenge, welche dem Körper für die physiologischen Grundfunktionen außerhalb des Trainings zur Verfügung steht. Eine ausgeglichene Energiebilanz ist nicht mit einem gesunden Stoffwechsel gleichzusetzen, denn der Körper ist hoch adaptiv und passt seinen Energieverbrauch dynamisch an. So kann eine langfristige zu geringe Energieverfügbarkeit zu einem verringerten Ruheenergieverbrauch von ca. 10-20% führen, um die Funktion von lebensnotwendigen Organen und Geweben aufrechtzuerhalten und auch den Energieverbrauch bei Belastung herabsetzen. Dieser Mechanismus ist wohl evolutionär bedingt, um Hungerzustände zu überleben. Es ist in etwa gleichzusetzen mit dem automatischen Umschalten des Handys in den „Energiesparmodus“. Der neue adaptierte Status spart zwar Energie ein, ist aber suboptimal und geht im Kontext der Energieverfügbarkeit mit erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit einher (4).
3. Nicht nur sehr schlanke Menschen können betroffen sein
Die häufigste Annahme ist, dass nur sehr dünne Athleten oder Athleten mit Essstörungen unter RED-S leiden können. Das ist nicht der Fall, denn auch normalgewichtige Athleten können betroffen sein. Das Spiel beginnt, wenn Athleten das Ziel der Gewichtsreduktion verfolgen und ihre Energiezufuhr verringern. Häufig rutschen sie hierbei unbemerkt in eine zu geringe Energieverfügbarkeit ab und die angestrebte Gewichtsreduktion gerät ins Stocken. Die Ursache ist der physiologisch herabgesetzte Energiebedarf, welcher dazu führt, dass immer weniger gegessen werden muss, um das Gewicht zu reduzieren. Schnell kann es zum Teufelskreislauf werden und schon bald ist die Energiezufuhr so gering, dass eine geringe Energieverfügbarkeit vorliegt. Dadurch kommt es zu erhöhten Cortisolwerten im Blut, die einem Fettabbau entgegenwirken. Der Stoffwechsel ist aus dem Gleichgewicht geraten (5).
4. Ernährungsfachpersonal ist nicht Teil des Systems
Häufig wird der Bereich Ernährung immer noch als Zusatz- oder Randthema angesehen und hat einen zu geringen Stellenwert im Gesamtkomplex "Athlet". Eine Zusammenarbeit mit Sporternährungsberatern ist empfehlenswert, um die Ernährung an das Training anzupassen, die Gesundheit abzusichern und die Leistungsfähigkeit zu optimieren.
Präventionsmaßnahmen für RED-S
Das Thema benötigt eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Athleten, Trainern und Betreuerstab. Eine Früherkennung des Syndroms ist wichtig, um langfristige gesundheitliche Folgen zu vermeiden, ganz besonders bei jugendlichen Athleten. Denn 90% der Knochenmasse werden im Entwicklungsalter bis 18 Jahre gebildet. Studien ergaben, dass nur ca. 50% der Physiologen, Trainer und Therapeuten über die Symptome von RED-S Bescheid wissen. Zuerst einmal muss also das Wissen über die Problematik verbreitet werden (8). Trainer und Betreuer sollten wachsam sein und das Thema der Energiezufuhr mit ihren Athleten besprechen. Weitere Screeningmöglichkeiten bei Athleten umfassen den Einsatz von Fragebögen zur Identifikation einer geringen Energieverfügbarkeit, wie etwa der validierte LEAF-Fragebogen von Melin et al. (6). Darüber hinaus liegt mit dem RED-S CAT Modell dem Fachpersonal ein Assessment-Tool vor, welches das Screening für RED-S auf medizinischer Grundlage aufzeigt (7).
RED-S und Return to Sport
Das oberste Ziel ist die Wiederherstellung eines energetischen Gleichgewichts. Die Energiezufuhr muss schrittweise erhöht und/ oder der Trainingsumfang verringert werden.
- Wenn der Energiemangel unabsichtlich entstanden ist wird eine Zusammenarbeit mit einem Sporternährungsberater empfohlen.
- Liegt eine Essstörung zugrunde, so ist eine Kombination mit einem Psychologen sinnvoll.
- Weitere Ernährungsmaßnahmen umfassen die Integration von bestimmten Mikronährstoffen durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. Diese sollten individuell gemeinsam mit einem Arzt und Sporternährungsberater bestimmt werden.
Studien zeigen, dass die Wiederherstellung eines normalen Hormonstatus ein langsamer Prozess ist und daher Wochen bis Monate in Anspruch nehmen kann (1). Neuere Untersuchungen deuten daraufhin, dass Kohlenhydrate einen wichtigen Einflussfaktor für den Knochenstoffwechsel darstellen und daher eine erhöhte Kohlenhydratzufuhr wichtig ist (3).
FAZIT: Die Gesundheit hat die höchste Priorität!
In gewichtsbetonten Sportarten haben rund 2-60% der Athleten Symptome von RED-S (8). Es scheint eine Revolution in der Sportwelt notwendig, welche das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer guten Energieverfügbarkeit in den Vordergrund stellt. Trainer und Betreuer sollten daher das Syndrom RED-S kennen, um Sportler mit einem Risiko frühzeitig zu identifizieren und eine optimale Entwicklung der Leistungsfähigkeit und langfristige Gesunderhaltung der Sportler zu gewährleisten. Bei einem verstärkten Indiz auf RED-S ist die Zusammenarbeit mit Sporternährungs-Fachpersonal und Ärzten unbedingt empfehlenswert.
Literatur
(1) Areta, J. L., Iraki, J., Owens, D. J., Joanisse, S., Philp, A., Morton, J. P., & Hallén, J. (2020). Achieving energy balance with a high-fat meal does not enhance skeletal muscle adaptation and impairs glycaemic response in a sleep-low training model. Experimental Physiology, 105(10), 1778–1791. https://doi.org/10.1113/EP088795
(2) Hackney, A. C. (2020). Hypogonadism in Exercising Males: Dysfunction or Adaptive-Regulatory Adjustment? Frontiers in Endocrinology, 11, 11. https://doi.org/10.3389/fendo.2020.00011
(3) Hammond, K. M., Sale, C., Fraser, W., Tang, J., Shepherd, S. O., Strauss, J. A., Close, G. L., Cocks, M., Louis, J., Pugh, J., Stewart, C., Sharples, A. P., & Morton, J. P. (2019). Post-exercise carbohydrate and energy availability induce independent effects on skeletal muscle cell signalling and bone turnover: Implications for training adaptation. The Journal of Physiology, 597(18), 4779–4796. https://doi.org/10.1113/JP278209
(4) Koehler, K., Williams, N. I., Mallinson, R. J., Southmayd, E. A., Allaway, H. C. M., & De Souza, M. J. (2016). Low resting metabolic rate in exercise-associated amenorrhea is not due to a reduced proportion of highly active metabolic tissue compartments. American Journal of Physiology. Endocrinology and Metabolism, 311(2), E480-487. https://doi.org/10.1152/ajpendo.00110.2016
(5) Lieberman, J. L., DE Souza, M. J., Wagstaff, D. A., & Williams, N. I. (2018). Menstrual Disruption with Exercise Is Not Linked to an Energy Availability Threshold. Medicine and Science in Sports and Exercise, 50(3), 551–561. https://doi.org/10.1249/MSS.0000000000001451
(6) Melin, A., Tornberg, A., Skouby, S., Faber, J., Ritz, C., Sjödin, A., & Sundgot-Borgen, J. (2014). The LEAF questionnaire: A screening tool for the identification of female athletes at risk for the female athlete triad. British journal of sports medicine, 48. https://doi.org/10.1136/bjsports-2013-093240
(7) Mountjoy, M., Sundgot-Borgen, J., Burke, L., Carter, S., Constantini, N., Lebrun, C., Meyer, N., Sherman, R., Steffen, K., Budgett, R., Ljungqvist, A., & Ackerman, K. (2015). The IOC relative energy deficiency in sport clinical assessment tool (RED-S CAT). British Journal of Sports Medicine, 49(21), 1354–1354. https://doi.org/10.1136/bjsports-2015-094873
(8) Mountjoy, M., Sundgot-Borgen, J. K., Burke, L. M., Ackerman, K. E., Blauwet, C., Constantini, N., Lebrun, C., Lundy, B., Melin, A. K., Meyer, N. L., Sherman, R. T., Tenforde, A. S., Klungland Torstveit, M., & Budgett, R. (2018). IOC consensus statement on relative energy deficiency in sport (RED-S): 2018 update. British Journal of Sports Medicine, 52(11), 687–697. https://doi.org/10.1136/bjsports-2018-099193
Danke für diesen sehr interessanten Bericht. Ich war um die 40, als ich nach meinen 4 Kindern, wieder in den Kampfsport einstieg. Mir war dabei nicht aufgefallen, dass ich durch das jahrelange nächtliche Aufstehen in der Nacht wegen der Kinder, in Dauererschöpfung war. Nein, ich packte dann noch den Hochleistungssport obendrauf. Ich trainierte jede freie Minute neben meinem 6 Personen Haushalt, einem riesen Haus mit riesen Garten und einem Mann der mich nicht wahrnimmt😁. Es machte mir so viel Spaß, nach 4 Schwangerschaften wieder so ein tolles Körpergefühl zu haben, rank und schlank zu sein und mich so gut bewegen zu können. Natürlich hieß das auch ständiges Fasten, aber keine spezielle Energiezufuhr. Also Kinder, Haushalt, Mann versorgen und trainieren bis der Arzt kommt! Nur 1 1/2 Jahre später kommt der große crash. Eine einschneidende Muskelverletzung, die dieses Martyrium schließlich stoppte. Es folgten schwere Depressionen, Schlaf und Eßstörungen. Entzetzliche Panikattaken. Viele, viele Therapien. 8 Jahre später bin ich fast frei von Ängsten, Depressionen und von dem Mann geheilt👍. Sehr viel Bewusstseinserweiterung. Nur regelmäßiges trainieren, ohne gleich wieder Ängste zu bekommen und Erschöpft zu sein, hab ich leider noch nicht geschafft. Bis heute frag ich mich, was mir noch helfen könnte, um wieder normal leistungsfähig zu sein oder gesunden Sport machen zu können.
Danke Mädels, glaube das ich ein paar Jahre damit zu kämpfen hatte, nun wieder die Balance finden muss und dankbar bin darüber zu lesen…“
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